Aktionsbündnis
,,Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"
|
Fall: Die Seminarkopie
Ein Dozent möchte gern einen Zeitschriftenaufsatz mit den Studenten besprechen. Damit alle ihn vorliegen haben, legt er ihn auf den Kopierer und stellt 20 Exemplare
für die Kursteilnehmer her. Das ist verboten!
Hier klaffen gängige Praxis und herrschende juristische Meinung (siehe Veddern 2004, S. 70; Junker 1999, Teil 2, Abs. 3) krass auseinander. Angefertigt werden die Kopien so
oder so aufgrund der Schrankenbestimmung des § 53 UrhG. Der Dozent müsste nach der
herrschenden Meinung die Kursteilnehmer auffordern, sich zum eigenen Gebrauch Kopien in der Bibliothek zu ziehen. Schon das Bereitstellen eines "Seminarordners" als
Kopiervorlage für die Kursteilnehmer ist problematisch. Das kann dazu führen, dass nicht alle Studenten den Aufsatz tatsächlich zur Verfügung haben.
Auf § 53 Abs. 1 UrhG können sich weder Dozent noch Studenten berufen, da eine Privatkopie nicht vorliegt: Der Dozent handelt zu beruflichen Zwecken, die Studenten
betreiben ihr Studium nicht aus rein persönlichen, sondern mittelbar berufsbezogenen Gründen. (Dies entspricht der Rechtsprechung, die durch die Änderungen des Abs. 1
im Jahre 2003, dem sog. "ersten Korb" der Urheberrechtsreform, auch im Gesetzestext verankert wurden, um den "privaten" Gebrauch zu definieren.)
Da der Unterricht an der Hochschule auch nicht als "eigener wissenschaftlicher Gebrauch" des Dozenten gilt (darunter fällt zwar die Forschung, nicht aber die Lehre),
kann sich der Dozent auch nicht auf § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UrhG berufen.
Ebenso scheidet § 53 Abs. 3 Nr. 1 UrhG aus. Er erlaubt Unterrichtskopien an Schulen und einigen anderen Bildungseinrichtungen, Hochschulen sind jedoch bewusst
ausgenommen.
Es bleibt also nur § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UrhG ("sonstiger eigener Gebrauch"), der u.a. das
Fotokopieren von Zeitschriftenaufsätzen erlaubt - allerdings nur zum eigenen Gebrauch. Daher können sich zwar die Studenten für eigene Fotokopien auf diese
Vorschrift berufen, nicht jedoch der Dozent. Letzterer würde nicht zum "eigenen" Gebrauch handeln, wenn die Kopien er für seine Studenten herstellt.
Warum man sich nicht einfach auf § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UrhG berufen kann, der die
Herstellung durch einen anderen erlaubt, ist nicht einzusehen. Würde etwa die Lehrstuhlsekretärin von den Studenten einzeln beauftragt werden, so wäre dies in
Ordnung.
Nach dem bis Ende 2006 gültigen § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG ist es dagegen möglich, den Aufsatz zu digitalisieren und passwortgeschützt dem bestimmt abgegrenzten Teil
Kreis von Kursteilnehmern zum Download bzw. Ausdruck anzubieten. Hier der Unterricht an Hochschulen ausdrücklich einbezogen. Im digitalen Bereich ist daher erlaubt,
was im Bereich der Fotokopie nicht erlaubt ist.
§ 53 Abs. 3 UrhG nimmt, wie gesehen, die Hochschulen ausdrücklich aus, was den normalen Unterrichtsgebrauch angeht. Nur zu Prüfungszwecken dürfen Kopien in
Kursstärke erstellt werden. Dies ist nicht mehr zeitgemäß. Den Urhebern steht in jedem Fall eine Vergütung zu (§ 54a UrhG).
Die bisherige Fassung hat sich nicht als geeignet erwiesen, das Kopieren an den Hochschulen einzudämmen. Dies ist auch
gar nicht sinnvoll.
Vorgeschlagene Gesetzesänderung: § 53 Abs. 3 Nr. 1 UrhG ist dahingehend zu
vereinfachen, dass Hochschulen ebenfalls zu den privilegierten Nutznießern der Vorschrift zählen. Die besondere Problematik der Prüfungsmaterialien könnte ganz
entfallen oder mit einem "insbesondere" einbezogen werden. Die weitere Formulierung sollte im Einklang mit den Forderungen des Memorandums von Sieber (2004, S. 15f.) erfolgen.
Besser wäre es freilich, man würde den weitergehenden Empfehlungen der DINI-Stellungnahme folgen, die eine Komplettlösung für eine Vereinfachung von § 52a
und § 53 UrhG zur Diskussion stellen.
Gesetzestexte und Referentenentwurf
-
Urheberrechtsgesetz (UrhG),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.9.2003 (sog. "erster Korb")
-
Referententwurf
des Bundesministeriums der Justiz für ein Zweites Gesetz zur Regelung des
Urheberrechts in der Informationsgesellschaft mit Begründung
-
Von Dr. Ole Jani, wiss. Mitarbeiter der FPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, erstellte
Synopsis,
die das geltende Urheberrecht und die Änderungen durch den Referentenentwurf
gegenüberstellt
-
Richtlinine 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001
zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des
Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft
Stellungnahmen
-
DINI-Stellungnahme 6.5.2004
-
Ulrich Sieber,
Memorandum zur Berücksichtigung der Interessen des Bildungsbereichs bei der Reform des Urheberrechts, 2004
-
HI-Stellungnahme zum Referentenentwurf für den 2. Korb
-
Kurzstellungnahme
des Aktionsbündnisses "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" zum Referentenentwurf
Sonstige Literatur zum Urheberrecht
Zurück zu den Fallbeispielen
|
last changed 8 January 2015
—
state of our news-services: 6 April 2021
|