Pressemitteilung 06/12
vom 16. Dezember 2012
2012 — das Jahr, in dem eine umfassende Wissenschaftsschranke in der politischen Diskussion auf allen Ebenen angekommen ist
Zusammenfassung: Die Bundesregierung sollte nun rasch auf die Forderungen aller politischen Parteien, der Enquete-Kommission und des Bundesrats reagieren, das Thema einer umfassenden Wissenschaftsschranke im Urheberrecht auf die Agenda zu setzen und seiner Behandlung hohe Priorität einzuräumen. Die Nutzung publizierter, zudem i.d.R. mit öffentlichen Mitteln erstellter Werke soll ohne weitere Einschränkungen genehmigungsfrei innerhalb geschlossener Benutzergruppen der Wissenschaft und im Rahmen nicht-kommerziellen Bildungsveranstaltungen erlaubt sein. Die Frage einer angemessenen Vergütung ist weiterhin offen und muss erneut auf den Prüfstand kommen. Dass die öffentliche Hand auch noch mehrfach Gebühren für die elektronische Nutzung der von ihr bereits finanzierten und erworbenen Werke bezahlen soll, ist schlicht nicht zu vermitteln.
Die Bundesregierung muss endlich Vorschläge für einen Dritten (Wissenschafts-)Korb vorlegen
Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft nimmt mit großer Zustimmung zur Kenntnis, dass nachdem alle politische Parteien des Bundestags und der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft” eine Wissenschaftsschranke auf die Agenda gesetzt sehen wollen, nun auch der Bundesrat in seiner
Sitzung am 14.12.2012
Bundesregierung und Bundestag aufgefordert hat „unverzüglich und in enger Abstimmung mit den Ländern die Arbeiten an einer breiter und allgemeiner gefassten Bildungs- und Wissenschaftsschranke [aufzunehmen], wie sie einvernehmlich von der Kultusministerkonferenz und der Wissenschaftsallianz gefordert wird.”
Die Bundesregierung selbst hatte es bislang abgelehnt, in dieser Sache gesetzgeberisch aktiv zu werden. Sie ist leider auch bislang in keiner Weise dem Auftrag des Bundestags nach einem Dritten Korb der Urheberrechtsreform gefolgt, der ja als Bildungs- und Wissenschaftskorb vorgesehen war. Das muss anders werden, wenn das Bundesjustizministerium nicht gänzlich das Vertrauen von Bildung und Wissenschaft verspielen will. Mit dieser unbegreiflichen Passivität muss endlich Schluss sein.
Eine umfassende Wissenschaftsschranke ist verträglich mit bestehenden EU-Vorgaben
Das Aktionsbündnis hatte schon Anfang Juli 2010 die Diskussion um eine solche Wissenschaftsschranke mit einem konkreten Normvorschlag eröffnet. Die
Allianz der Wissenschaftsorganisationen
und die Kultusministerkonferenz haben dann sehr rasch entsprechende, im Detail leicht abweichende Vorschläge vorgelegt. Beide Organisationen wie auch das Aktionsbündnis sehen darin keinen Widerspruch zu der weiter verbindlichen Urheberrechtsrichtlinie der EU von 2001 (Richtlinie 2001/29/EG). Der Gesetzgeber kann also handeln. Deutschland kann hier europaweit eine Vorreiterrolle einnehmen.
Zu den Zielen einer umfassenden Wissenschaftsschranke
Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft hat auf seinem Workshop am 10.12.2012 in Berlin das Thema einer umfassenden Bildungs- und Wissenschaftsschranke ins Zentrum gestellt. Es hat auf seiner Mitgliederversammlung am 11.12.2012 eine gegenüber 2010 leicht veränderte Version einer Wissenschaftsschranke entworfen und – was vielleicht noch wichtiger ist – sich auf die Ziele einer solchen neuen Norm im Urheberrechtsgesetz verständigt, z.B.:
Eine umfassende Wissenschaftsschranke soll die bisherigen, äußerst kleinteilig, überkomplex und für den Alltagsgebrauch völlig unbrauchbar formulierten Schrankenregelungen, soweit sie Bildung und Wissenschaft betreffen, in einer umfassenden und einfachen Norm zusammenfassen und damit nicht zuletzt auch für Rechtssicherheit sorgen.
Einfach soll die Norm dadurch sein, dass die Nutzung publizierter Werke jeder medialen Art für den wissenschaftlichen, nicht gewerblichen Gebrauch (z.B. in Forschungsteams und Kursen der Ausbildung) grundsätzlich genehmigungsfrei und ohne Einschränkungen erlaubt sein soll. Auch die Vermittlungsleistungen z.B. durch Bibliotheken sollen hierdurch begünstigt sein. Eine solche nicht weiter spezifizierte Nutzung erlaubt es ferner, flexibel auf die ständig neuen Herausforderungen in Bildung und Wissenschaft reagieren zu können – wie man z.B. an den innovationsträchtigen Techniken des Data Mining sehen kann. Solche Entwicklungen dürfen nicht durch restriktive Urheberrechtsvorschriften behindert oder gar verboten werden.
Die Frage einer angemessenen Vergütung (ob und wie) muss erneut auf den Prüfstand
Das Aktionsbündnis hat sich auch mit der Frage der bislang als unabdingbar angesehenen Vergütung erneut beschäftigt. Dass Dokumentations- und Archivierungsaufgaben der Bibliotheken nicht nur genehmigungsfrei sondern auch vergütungsfrei erlaubt sein müssen, versteht sich von selbst. Darüber hinaus sieht das Aktionsbündnis aber erneut einen Bedarf, sich auf praktikable und zielführende Bestimmungen für eine „angemessene Vergütung” zu verständigen. Nicht zuletzt sollte berücksichtigt werden, dass der
volkswirtschaftliche Nutzen
einer freien Nutzung publizierten Wissens, die zudem auch wieder zu neuem Wissen führt, um eine Vielfaches höher ist als der Nutzen durch kommerzielle Geschäftsmodelle.
Das Aktionsbündnis kann zudem nicht erkennen, warum es erforderlich sein soll, dass bereits bezahlte, d.h. z.B. von Bibliotheken oder einzelnen WissenschaftlerInnnen entweder käuflich erworbene oder lizenzierte Werke nun bei der Nutzung in genau definierten Forschungsgruppen oder Lehrveranstaltungen noch einmal Gegenstand einer Vergütung sein sollen. Das Aktionsbündnis hat noch keine abschließende Antwort auf die Frage nach der angemessenen Vergütung. Aber die Frage steht weiter offen im Raum.
Freibiermentalität — doch wohl kaum von der Wissenschaft
Eine freie Nutzung in Bildung und Wissenschaft wurde in der Vergangenheit oft als nicht zu akzeptierende Freibiermentalität der Wissenschaft zurückgewiesen. Das Aktionsbündnis möchte darauf hinweisen, dass eine Freibiermentalität wohl doch eher auf Seiten der verwertenden Wissenschaftsverlage festzustellen ist: Das i.d.R. mit öffentlichen Mitteln erstellte Wissen wird, zumindest was die wichtigste Publikationsform in Zeitschriften angeht, den Verlagen wie selbstverständlich vollkommen kostenlos zur Verfügung gestellt (d.h. die AutorInnen und auch deren Institutionen erhalten für ihre Werke so gut wie nie eine Vergütung von den Verlagen). Wie ist es dann zu rechtfertigen, dass die Öffentlichkeit anschließend für die Nutzung dieser Werke, für deren Qualität die Wissenschaft selbst die Verantwortung übernimmt, und die meistens in schon publikationsfertiger Form an die Verlage geliefert werden, erneut bezahlen soll? Vielleicht sollten sich das Bundesfinanzministerium und die Rechnungshöfe dieser Frage einmal zuwenden.
Auf der Mitgliederversammlung des Aktionsbündnisses am 11.12.2012 wurde der Sprecher, Prof. Kuhlen, in seinem Amt bestätigt, ebenso der stellv. Sprecher Dr. Harald Müller, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg sowie neu in die Sprecherrunde gewählt Dr.-Ing. Joachim Meier, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin.
Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft”
V.i.S.d.P. Prof. Dr. Rainer Kuhlen (Sprecher)
The Coalition for Action "Copyright for Education and Research"
(http://www.urheberrechtsbuendnis.de/) was founded in 2004 in connection with
the amendment of copyright legislation in Germany. The Coalition for Action
lobbies for a balanced copyright and demands free access to worldwide
information at any time from anywhere for everybody active in public education
and research. The Coalition for Action is based on the Göttingen Declaration on
Copyright for Education and Research of 5 July 2004. Six members of the alliance
of German research organizations (Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der
angewandten Forschung e.V., Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren
e.V., Hochschulrektorenkonferenz, Max-Planck-Gesellschaft,
Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. and Wissenschaftsrat),
372 learned societies, federations and institutions as well as more
than 7,250 individuals were subscribers to this declaration.
Further information on the topic of a Copyright for Education and Research can be
found at IUWIS.
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Next Relevant Dates |
6. November 2020
Jahrestagung des Aktionsbündnisse (online)
Ein Status-Überblick zum Urheberrecht — national und in Europa
Programm und Anmeldung
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News |
April 6th 2021
The coaltion of action takes a position on the "draft law to adapt copyright law to the requirements of the digital single market".
Opinion of April 6, 2021 on the Draft Law.
Opinion of Februar 22, 2021 on the Draft Law.
Opinion of November 6, 2020 on the Draft Bill.
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October 7th 2020
Published by de Gruyter:
Rainer Kuhlen, „Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit — Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht“.
Online unter DOI: 10.1515/9783110693447
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February 28th 2018
UrhWissG comes into force — not a big progress, but greater legal certainty and some improvements
(Press Release)
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November 20th 2017
All presentations given at our anual meeting on November 8, 2017 are available online:
(Presentations).
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June 7th 2017
The copyright reform (UrhWissG) was passed — facilitation, but no reason to cheer
(Press Release)
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June 26th 2017
An appeal to the German Bundestag: The UrhWissG has to be passed without restrictions within this legislative period.
The Coalition for Action calls on the two chairmen of the CDU/CSU and of the SPD, Volker Kauder and Thomas Oppermann,
to release the governmental draft for the German Copyright Act for the vote in the Bundestag, and then
we call the members of the Bundestag to eatablish the law without restrictions.
(Press Release)
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May 22nd 2017
FAZ, you can not win this fight — distorted journalism in terms of copyright by publisher and managing director of FAZ newspaper
The action alliance criticizes the open letter of the editors and managing directors to the German Bundesrat of 12.5.2017 and of the 18.05.2017 to the deputies of the German Bundestag.
Through these letters the "makers" of the newspaper try to exert pressure on the legislature. This behavior can only be described as unusual and extremely dubious.
(Press Release)
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May 10th 2017
Der Bundesrat sollte sich nicht von den Untergangsszenarien des Börsenvereins blenden lassen.
Wir haben in einer Stellungnahme an den Bundesrat diesen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zum
„Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ anlässlich seiner Plenarsitzung am
12. Mai 2017 nicht aufzuhalten, sondern im Prinzip zu unterstützen.
(Press Release).
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April 27th 2017
Die Zeit drängt: Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts!
Wir unterstützen weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts, jedoch
bedauern wir die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.
(Press Release)
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February 14th 2017
We make you aware that on the website
www.publikationsfreiheit.de is being tried, to manipulate
the public and in particular the authors in education and science with incorrect claims in favor of
publishers' interests.
(Press Release).
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January 24th 2017
The way has not yet come to an end — but the direction is right
The Coalition for Action sees in the draft bill for a "Copyright Law Knowledge Society Act —
UrhWissG" from the ministry for justice an important step in the direction of an education and science-friendly copyright law.
(Press Release)
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December 21st 2016
The road to the One General Exception for Education and Research (ABWS) should now be free now & mdash; Go ahead, Minister Maas!
(Press Release).
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December 15th 2016
KMK, VG Wort and HRK must finally create clarity
The joint press release of KMK, VG Wort and HRK from 9 December 2016 is a source of uncertainty and confusion in the universities.
What should actually be done with the electronic semester apprentices from 1 January 2017? Further is currently
deleted or placed texts invisible. There is a need for action!
(Press Release)
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December 12th 2016
And they seem to still be able to move - KMK and VG-Wort. And the university rector conference (HRK) is now on board.
However, the transitional regulation from the beginning of 2017 is still unclear.
Debt to the present obvious disaster around the framework
contract to § 52a UrhG is ultimately the intolerable delay tactics of the policy.
(Press Release).
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November 23rd 2016
Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG has been published.
(Press Release)
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November 16th 2016
Offener Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „Bitte lassen Sie den Schleier von
diesem verdeckten Objekt [dem Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht] wegreißen!
Der Öffentlichkeit ist das Spiel mit Andeutungen nicht länger zuzumuten.“
(Letter).
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older news is available from our archive |
Publications |
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All presentations given at our anual meeting von November 8, 2017 are online available:
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Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
über ihre Urheberrechte,
wie handeln sie, und was wünschen sie?
- Studie im Auftrag des Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft e.V.
-
Folder with our recommendations for dealing with the framework contract between KMK and VG-Wort to § 52a UrhG
- Version: 22 November 2016
- Format: A4 duplex
-
Folder on our Current Demands
- Version: August 2015
-
Folder on a Comprehensive Copyright Clause in Support of Education and Science
- Version: August 2015
-
Folder on the Right for a Second Publication for Scientific Articles
- Version: July 2015
-
Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?
- Compilation for the annual meeting on October 10, 2013
-
Breite Unterstützung für eine umfassende Verbesserung des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
- Evaluation of a survey and policy implications, September / October 2011
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Relevant Links |
facebook page of the Coalition
IUWIS
project is developing a social networking for the topic of copyright in
education and research.
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