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Aktionsbündnis
„Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“
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„Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“

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Politik und Juristen mühen sich um die Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke

Berlin, 4. Dezember 2014. Eine Stellungnahme von Prof. Dr. Rainer Kuhlen zur Experten-Anhörung im Bundestagsausschuss Digitale Agenda zum Stand der Urheberrechtsreform

Im Rahmen der Planung zur Digitalen Agenda fand am 3. Dezember 2014 ein Öffentliches Fachgespräch zum Thema Urheberrechtsreform und Leistungsschutzrecht für Presseverlage statt.

Dabei wurden auch die Möglichkeiten einer Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke ausgelotet. Professor Hoeren machte dabei sehr deutlich, dass der gerade entfristete § 52a UrhG keineswegs so wunderbar und fehlerfrei funktioniert, wie es der BGH jüngst nahelegte und wie es auch die CDU/CSU-Fraktion bei der Entfristungsdebatte im Bundestag betonte. Ganz im Gegenteil, so Hoeren, sei § 52a für Bildung und Wissenschaft in der Praxis vollkommen unbrauchbar und schaffe für die Hochschulen vor allem für eLearning und elektronische Semesterapparate, aber auch für jede Forschungsgruppe Planungsunsicherheit.

Alle Experten, sofern sie dazu gefragt wurden, waren sich einig, dass eine umfassende Lösung gefunden werden muss und zwar als Ersatz für die verschiedenen, weitgehend unbrauchbaren Schranken, neben § 52a auch die §§ 52b und 53a. Eine solche umfassende Schranke (oder Klausel, wie sie auch angesprochen wurde) sollte nicht mehr, wie Schranken bislang überwiegend verstanden werden, als Ausnahme angesehen werden, sondern als grundlegendes Recht für sich, das auch für die Bildung und Wissenschaft zuarbeitenden Vermittlungsorganisationen wie Bibliotheken gelten muss. Wie soll nun diese umfassende Schranke aussehen? Recht allgemein wurden die entsprechenden Fragen der Politiker formuliert und noch allgemeiner unverbindlich waren die Antworten der Juristenprofessoren. Alle sind dafür, aber niemand sagte, was darin stehen soll und was nun erlaubt sein soll.

Ich bedauere, dass Professor Spindler anstatt einer konkreten Antwort empfahl, die von Prof. de la Durantaye (auf Anregung des BMBF) erstellte Studie quasi schon als Vorbild für die anstehende politische Lösung anzusehen, auch wenn kleinere Verbesserungen (welche?) vorgenommen werden müssten. Auch Prof. Metzger tendierte in diese Richtung.

Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass mühsame Lektüre kaum auf sich genommen wird, dass schon die Existenz einer umfänglichen, juristisch fundierten Studie ausreicht, die den Titel „Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke“ trägt, um sie der Politik zu empfehlen. Ist die (in der Tat ja auch sehr lange und komplexe) Studie wirklich gelesen worden?

Der Teufel steckt in den Details bzw. in diesem Fall nicht in dem Schrankenvorschlag selbst, sondern in der Auslegung des Vorschlags, die de la Durantaye über viele Seiten selber liefert. Das liest sich prima: „Zulässig ist die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung eines veröffentlichten Werkes zur Veranschaulichung des Unterrichts an Bildungseinrichtungen oder für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung“. Aber das darf man nicht wörtlich nehmen.

De la Durantaye wagt an keiner Stelle über die bestehenden urheberrechtlichen Regelungen oder über die Auslegungen der Gerichte hinauszugehen. So ist es für sie klar, dass so gut wie alle Einschränkungen der bisherigen, auf Bildung und Wissenschaft bezogenen Schrankenregelungen weiter gelten. Nur drei Beispiele:

  • Im Vorschlag ist nur von der Nutzung „eines veröffentlichten Werks“ die Rede, aber gemeint sind weiter nur kleine Teile eines Werkes (12% oder so) oder nur fünf Minuten Film.
  • In Anspruch nehmen dürfen Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung nur die Lehrenden zur Veranschaulichung des Unterrichts (immerhin „des“ und nicht mehr „im“), keinesfalls aber die Studierenden in selbstbestimmten Lerngruppen, wie sie in der Hochschuldidaktik immer mehr gefordert werden.
  • Nutzer sollen weiter die von einer Bibliothek digitalisierten Materialien nur vor Ort, also an Terminals in den Räumen der Bibliotheken einsehen können — obgleich derzeit so gut wie jede/r, der dazu legitimiert ist, über das Internet von Orten und Zeiten seiner/ihrer Wahl auf die Bibliotheksbestände zugreifen könnte.
Aber das eigentliche Problem des Vorschlags liegt darin, dass dem oben zitierten Satz die Einschränkung folgt, „wenn und soweit die Nutzung in ihrem Umfang durch den jeweiligen Zweck geboten ist und keinem kommerziellen Zweck dient“. Auch das klingt unverfänglich, aber hier liegt der Sprengstoff im „jeweiligen Zweck“.

Das mit den kommerziellen Zwecken mag ja noch hingehen, obgleich Wissenschaft zunehmend in Kooperation mit der anwendenden außeruniversitären, auf Innovation abzielenden Forschung geschieht. Aber geboten — und dafür fährt de la Durantaye umfängliche gewichtige Geschütze auf — bedeutet, dass die Nutzung nur geboten ist, wenn die Verlage keine Angebote vorlegen. Nicht geboten ist sie, wenn ein Angebot vorliegt. Mit starken Argumenten, nicht zuletzt auch mit dem Dreistufentest, verteidigt de la Durantaye die Priorität des Marktes gegenüber einer Schrankenregelung des Rechts. Dass der europäische Gerichtshof, allerdings nur mit Blick auf den Bibliotheksparagraphen 52b, das inzwischen anders sieht, ist längst noch nicht allgemeine juristische Meinung und de la Durantaye trägt viel dazu bei, dass sie das auch nicht wird.

Der „Hürdenlauf“ durch die bisherigen Schranken (Professor Metzger) würde sich durch den Vorschlag der Durantaye-Studie fortsetzen. Solange mit dem Prädikat des „geboten“ gearbeitet und dem Marktangebot Priorität gegenüber der Schrankenregelung im Recht zugestanden wird, wie es die Durantaye-Studien nahelegt, wird es keine brauchbare Lösung für Bildung und Wissenschaft geben.

Vor diesem Hintergrund (der Anhörung und der Durantaye-Studie) ist der Vorschlag des Aktionsbündnis für eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke (oder -klausel) die praktikablere und vom Bildungs-und Wissenschaftsbereich akzeptablere Alternative. Der Vorschlag ist eine wirkliche und zeitgemäße Antwort auf die Herausforderung, ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht zu schaffen.

Erforderlich ist von Seiten der Politik das, was der damalige Bundespräsident Herzog den „Ruck“ genannt hat. Solange nur das fortgeschrieben wird, was bislang galt, dann ist das Ergebnis so überflüssig wie ein Kropf. Politik darf/kann/soll gestalten, und dabei hat sie großen Spielraum. Die auslegenden Juristen und Gerichte werden ihr dann schon folgen. Sapere aude!

Prof. Dr. Rainer Kuhlen Sprecher des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“

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Jahrestagung des Aktionsbündnisse (online)
Ein Status-Überblick zum Urheberrecht — national und in Europa
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6. April 2021 §

Das Aktionsbündnis nimmt zum „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ Stellung.
Stellungnahme vom 6. April 2021 zum Gesetzentwurf.
Stellungnahme vom 22. Februar 2021 zum Gesetzentwurf.
Stellungnahme vom 6. November 2020 zum Referentenentwurf.

7. Oktober 2020 Buch Kuhlen

Bei de Gruyter erschienen:
Rainer Kuhlen, „Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit — Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht“.
Online unter DOI: 10.1515/9783110693447

28. Februar 2018 auf ein Neues...

UrhWissG tritt in Kraft — kein ganz großer Wurf, aber doch größere Rechtssicherheit und einige Verbesserungen
(Pressemitteilung).

20. November 2017 Jahrestagung

Alle Vorträge unserer Jahrestagung vom 8. November 2017 sind online verfügbar:
(Vorträge).

7. Juli 2017 Paragraphenzeichen

Die Urheberrechtsreform (UrhWissG) ist durch — Erleichterung, aber kein Grund zum Jubeln
(Pressemitteilung).

26. Juni 2017 Pusteblume

Ein Appell an den Bundestag: Das UrhWissG muss in dieser Legislaturperiode ohne Einschränkungen verabschiedet werden.
Das Aktionsbündnis fordert die beiden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU und SPD, Volker Kauder und Thomas Oppermann, auf, den Regierungsentwurf für das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz für die Abstimmung im Bundestag freizugeben, und dann die Mitglieder des Bundestags, dem Gesetz ohne Einschränkungen zuzustimmen.
(Pressemitteilung).

22. Mai 2017 Spielplatz

FAZ, diesen Kampf kannst Du nicht gewinnen — Verzerrter Journalismus in Sachen Urheberrecht durch Herausgeber und Geschäftsführer der FAZ
Das Aktionsbündnis kritisiert den offenen Brief der Herausgeber und Geschäftsführer an den Bundesrat vom 12.5.2017 und den vom 18.05.2017 an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Durch diese Schreiben versuchen die „Macher“ des Blattes Druck auf die Gesetzgebungsorgane auszuüben. Dieses Verhalten kann man gelinde gesagt nur als ungewöhnlich und äußerst bedenklich bezeichnen.
(Pressemitteilung).

10. Mai 2017

Der Bundesrat sollte sich nicht von den Untergangsszenarien des Börsenvereins blenden lassen.
Wir haben in einer Stellungnahme an den Bundesrat diesen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zum „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ anlässlich seiner Plenarsitzung am 12. Mai 2017 nicht aufzuhalten, sondern im Prinzip zu unterstützen.
(Pressemitteilung)


27. April 2017 schlechter Weg

Die Zeit drängt: Bildung und Wissenschaft brauchen eine Reform des Urheberrechts!
Wir unterstützen weiter den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für eine Reform des Urheberrechts, jedoch bedauern wir die Verschlechterungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf.
(Pressemitteilung).

23. Februar 2017

Petition zur Unterstützung des Referentenentwurfs zur Reform des Urheberrechts
Unterstützen auch Sie diese Petition auf change.org!
(zur Petition)


14. Februar 2017 fake-news

Wir machen darauf aufmerksam, dass auf der Website www.publikationsfreiheit.de versucht wird, die Öffentlichkeit und insbesondere die Autorinnen und Autoren in Bildung und Wissenschaft mit unzutreffenden Behauptungen zugunsten von Verlagsinteressen zu manipulieren.
(Pressemitteilung).

24. Januar 2017

Der Weg ist noch nicht zu Ende — aber die Richtung stimmt
Das Aktionsbündnis sieht im Referentenentwurf des BMJV für ein „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG“ einen wichtigen Schritt in Richtung eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts.
(Pressemitteilung)


21. Dezember 2016 ABWS

Der Weg zu der Einen Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke (ABWS) sollte nun frei sein — Gehen Sie voran, Herr Maas!
(Pressemitteilung).

15. Dezember 2016LMS in Deutschen Hochschulen

KMK, VG Wort und HRK müssen endlich Klarheit schaffen
Die gemeinsame Pressemitteilung von KMK, VG Wort und HRK vom 9.12.2016 sorgt in den Hochschulen weithin stark für Verunsicherung und Verwirrung. Was soll tatsächlich ab dem 1.1.2017 mit den elektronischen Semesterapparaten geschehen? Weiter wird derzeit gelöscht bzw. Texte auf unsichtbar gestellt. Es besteht Handlungsbedarf!
(Pressemitteilung)


12. Dezember 2016 Paragraphenzeichen

Und sie scheinen sich doch noch bewegen zu können – KMK und VG-Wort. Und die Hochschulrektorenkonferenz ist jetzt an Bord. Wie die Übergangsregelung ab Anfang 2017 aussehen soll, ist jedoch noch unklar. Schuld an dem jetzigen offensichtlichen Desaster um den Rahmenvertrag zu § 52a UrhG ist letztlich die unerträgliche Verzögerungstaktik der Politik.
(Pressemitteilung).

22. November 2016faul

Empfehlung zum Umgang mit § 52a UrhG im Kontext des Rahmenvertrags zwischen KMK und VG-Wort veröffentlicht.
(Pressemitteilung)


16. November 2016 Breif an den BMJV

Offener Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „Bitte lassen Sie den Schleier von diesem verdeckten Objekt [dem Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht] wegreißen! Der Öffentlichkeit ist das Spiel mit Andeutungen nicht länger zuzumuten.“
(offener Brief).

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Publikationen
Jahrestagung Vorträge der Jahrestagung vom 8. November 2017 online verfügbar:

publication Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über ihre Urheberrechte, wie handeln sie, und was wünschen sie?
Studie im Auftrag des Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft e.V.

publication Folder mit unserem Empfehlungen zum Umgang mit dem Rahmenvertrag zwischen KMK und VG-Wort zu § 52a UrhG
Version: 22. November 2016
Format: A4 duplex

publication Folder mit den aktuellen Forderungen
Version: August 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.

publication Folder zur Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsklausel
Version: August 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.

publication Folder zum Zweitöffentlichungsrecht für wissenschaftliche Artikel
Version: Juli 2015 — größere Stückzahlen zur Auslage können Sie bei uns anfordern.

publication Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?
Zusammenstellung zur Jahrestagung am 10. Oktober 2013

publication Breite Unterstützung für eine umfassende Verbesserung des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft
Auswertung einer Befragung und politische Konsequenzen, September/Oktober 2011

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facebook Facebook-Auftritt des Aktionsbündnisses

Das IUWIS Projekt entwickelt Social-Network mit Informationen zum Urheberrecht in Bildung und Wissenschaft.

zuletzt geändert am 8. 01. 2015Stand des Newsdienstes: 6. 04. 2021